7. Sonntag nach Trinitatis, 30.07.2017, Johannes 6, 30-35

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Wir wollen in der Stille um den Segen Gottes für diese Predigt bitten: ...

Herr, wir bitten dich, gib uns deinen Heiligen Geist zum Reden und zum Hören.

 

„In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot!“ Als Kinder haben wir diesen Spruch manchmal gesagt und dann eine Scheibe Wurst genascht – oder zwei. Und bis heute ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass kleinere Kinder, die mit der Mama oder dem Papa den Metzgerladen betreten, von der Verkäuferin gefragt werden: No, magst a Scheibla Gelbworscht? Ich hab noch kein Kind gehört, das da nein gesagt hätte. Und weil das Kind gar so herzig schaut, schneidet die Frau hinter dem Tresen ein besonders dickes Stück von der Gelbwurst ab. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich dann da stand, während die Mama einkaufte und Mühe hatte, das Trum Gelbwurst zu verspeisen. Heute könnt ich‘s nicht mehr - ohne Brot.

 

Heut geht’s nicht um die Wurst, sondern ums Brot. Den Wert von Brot lernt man erst wirklich schätzen, wenn man kein Kind mehr ist. Brot ist Leben. Brot macht satt. Brot riecht gut und schmeckt köstlich. Während viele Menschen auf unserer Welt zu wenig Brot haben, gibt es bei uns Brot im Überfluss. So viele Sorten, dass man manchmal gar nicht weiß, was man kaufen soll.

 

Vielleicht haben Sie auch gelesen, vor ein paar Tagen, in der Zeitung von dem Münchberger Bäcker, der sich jetzt zum „Brotsommelier“ fortgebildet hat und der jetzt zusammen mit einigen anderen ein Heimatbrot entwickeln will. Ein Brot, das nach Oberfranken riecht und schmeckt und das unsere Heimat repräsentiert. Brot, das Leben und Lebensqualität schafft. Eine neue Idee? Keineswegs. Brot, das Leben schafft, davon redet schon Jesus. Und zwar in den Versen aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums, die heute für die Predigt vorgesehen sind. Nachdem Jesus mit 5 Broten und zwei Fischen mehr als 5000 Leute satt gemacht hatte, suchten sie ihn, um ihn zum Brotkönig zu machen. Sie forderten ihn heraus und wollten, dass er das Wunder der Brotvermehrung wiederholen sollte, am besten täglich. Ich lese die Verse 30-35 aus Johannes 6:

„Wenn wir an dich glauben sollen, musst du schon durch eine Wundertat beweisen, dass du im Auftrag Gottes handelst. Zeige uns, was du kannst! Gib uns jeden Tag zu essen, so wie unsere Väter damals in der Wüste Manna, das Brot vom Himmel, aßen. Es heißt doch in der Heiligen Schrift: „Er gab ihnen Brot vom Himmel.“

Hierzu sagte ihnen Jesus: „Mose gab euch nicht das Brot, von dem ich gesprochen habe. Das wahre Brot vom Himmel gibt euch mein Vater jetzt. Und nur dieses Brot, das vom Himmel kommt, schenkt der Welt das Leben.“ „Herr, gib uns jeden Tag dieses Brot!“ baten ihn alle.

„Ich bin das Brot des Lebens, sagte Jesus zu ihnen. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“

 

Die Leute damals hatten das Zeichen nicht verstanden, das Jesus ihnen mit der Speisung der 5000 gegeben hatte. Sie dachten: Hauptsache der Bauch ist voll! Die haben auch ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen. Das ist ja bei uns  weit verbreitet. Man entscheidet aus dem Bauch, nicht aus Überlegung oder aus dem Glauben an Jesus.

 

Die Leute damals dachten: Jeden Tag genug Brot! Das ist es doch! Mehr woll‘n wir doch gar nicht. Was willst du denn mehr, als satt sein? Das war noch anders als bei uns. Bei uns wären die Menschen mit Brot allein ohnehin nicht zufrieden zu stellen. Da bräuchte es schon noch Butter, Wurst und Käse oder besser noch Lachs und Kaviar und Schinken oben drauf.

 

Damals war es in Israel für viele Menschen wirklich eine existentielle Not: Wo krieg ich für diesen Tag genug Brot für mich und meine Familie her? Wie werden wir heute satt? – Aber Jesus ging es am Tag nach dem Brotwunder in seiner Predigt gar nicht um Backwaren. Das Brot von dem er da redet ist anders und doch lebensnotwendig. Ein klassisches Missverständnis. Die Menschen und Jesus reden aneinander vorbei. Während das Volk vom Essen redet, geht es Jesus um unvergängliche Speise, die auf ganz andere Weise satt macht und Kraft zum Leben gibt: Ich bin das Brot des Lebens“, sagt Jesus zu ihnen. „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern.

 

Jesus betont, dass man zum Leben mehr braucht als Kohlehydrate und Ballaststoffe. Es gibt ein kleines Andachtsbüchlein, das für jeden Tag ein Bibelwort und ein paar Anregungen zum Bibellesen vorschlägt, mit dem Titel „Schwarzbrot“ - Wort Gottes, Brot zum Leben“. Was man zum Überleben in einer Welt voller süßer, fetter und verlockender Genüsse braucht. Als Jesus in der Wüste nach vierzig Tagen Fasten vom Teufel versucht wird: Sprich dass diese Steine Brot werden, da antwortet er: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes kommt.

Wort Gottes Lebensbrot für ein wirklich erfülltes Leben.

Haben Sie schon mal daran gedacht, wenn Sie beim Vaterunser beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Dass es dabei nicht nur um einen vollen Teller geht. In dieser 4. Vaterunserbitte steckt auch die Bitte nach Trost, geistlichem Zuspruch, nach Liebe, Frieden und Geborgenheit.

 

Martin Luther schreibt dazu in einer Auslegung: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Dieses Brot wird „unser Brot“ genannt. Damit sagen wir, dass wir nicht um gewöhnliches Brot bitten. Auch die Heiden haben Brot und Gott gibt es allen Menschen, ohne dass sie darum bitten. Wir aber, die Kinder Gottes bitten unseren himmlischen Vater um unser Brot“. Weil wir dieses Brot nicht von einem irdischen, sondern von einem himmlischen Vater erbitten, so bitten wir auch nicht um irdisches Brot, sondern um himmlisches und geistliches Brot, das unser ist und darum uns gehört und das wir brauchen. Sonst wäre es nicht nötig zu sagen: „Unser tägliches Brot“. Für das leibliche Brot hätte es genügt zu sagen: „Das tägliche Brot gib uns heute!“

So Luther und er fährt mit diesem Gedanken fort und behauptet: „Gott will aber seine Kinder lehren, sich mehr um das geistliche Brot für ihre Seele zu kümmern. Ja, er verbietet sogar, dass wir uns um das irdische Essen und Trinken sorgen machen, so wie er es in Matthäus 6, 25 lehrt: „Darum sage ich euch: Sorgt nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung?“

(Auslegung des Vaterunsers für die einfältigen Laien, 1519 vgl. WA2, 109, 1-11)

 

Gottes Kinder sollen sich mehr um das geistliche Brot für ihre Seele kümmern, als um Essen und Trinken. Ziemlich unzeitgemäß diese Aussage, in einer Zeit, in der sich so viel um Essen und Trinken dreht. Wieviel Zeit verbringen die Menschen mit raffinierten Rezepten, mit aufwändigen Zubereitungen, ausgefallenen Kombinationen und Variationen von Speisen. In unzähligen Kochsendungen und Küchenschlachten kochen Prominente, Profis oder ambitionierte Hobbyköche um die Wette und Millionen vor dem Bildschirm gucken fasziniert zu.

 

Wir sind ein Volk von satten Genießern geworden und dabei geistliche Hungerleider geworden, hoffnungslos unterernährt, viele so entwöhnt von geistlicher Speise, dass sie gar nichts mehr aufnehmen können. – Oft versuche ich bei meinen Besuchen im Gespräch auf ein geistliches Thema zu kommen. Es ist ja nicht mein Auftrag als Pfarrer nur ein bisschen Konversation zu machen. Nein, ich will vom Glauben reden, vom Wort Gottes, von seiner Liebe und seiner Wahrheit. Aber mein Gegenüber, das oft schon lange keinen Gottesdienst mehr besucht hat und das schon Jahrzehnte lang keine Bibel mehr in der Hand hatte, geht nicht drauf ein, versteht nicht, ist nicht mehr in der Lage geistliche Speise aufzunehmen.

 

Wie viele Menschen in unserem Land haben in dieser Beziehung Hör- und Sehprobleme, sind taub und stumm für das Wort Gottes, haben Schluckstörungen, einen Schrumpfmagen, der nichts mehr fasst und geistliche Verdauungsprobleme. Sie können den Wert des Gehörten nicht mehr für sich erschließen. Jesus sagt einmal: Mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht.

 

Das Land der Reformation ist ein Land von geistlichen Analphabeten geworden. Mehr als geistliche Schonkost (Liebe Gottes) und biblische Häppchen, vorsichtig ausgesucht und vorne und hinten gekürzt, geht bei vielen nicht. Von wegen Schwarzbrot! Die knallharten Wahrheiten und die treffenden Sätze werden gern weggelassen und verschwiegen. Manchmal sogar in der Kirche. In der gottesdienstlichen Liturgie heißt es zwar noch: Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden. Aber verschwiegen wird der zweite Teil der Wahrheit, der lautet: Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden. (Markus 16,16)

 

Wir müssen uns, Gott sei Dank, nicht um das leibliche Sattwerden sorgen, wie die Menschen in anderen Teilen der Welt oder bei uns nach dem letzten Krieg, noch nicht – vielleicht kommt ja auch das einmal wieder -. Wir werden jeden Tag satt. Aber wir kümmern uns nicht oder viel zu wenig um das, was Jesus hier meint: Um die Speise, die den Lebenshunger und unseren Lebensdurst wirklich stillt. Wir kümmern uns nicht oder viel zu wenig um das, was nicht vergeht. Um den Glauben und um das Leben in der Nachfolge des Herrn Jesus, um das Reich Gottes und um unsere Seligkeit. Wir haben auch eine Not mit dem Brot. Aber anders als die Menschen zurzeit Jesu.

 

Bei Luther habe ich noch einen anderen Gedanken zu diesem Thema gefunden. Er sagt: „Christi Fleisch (Leib) ist nicht fleischlich, sondern geistlich. Darum kann es auch nicht verzehrt, verdaut, verwandelt werden. Denn es ist unvergänglich, wie alles, was aus dem Geist ist, und ist eine Speise, ganz anderer Art als die vergängliche Speise.

Vergängliche Speise verwandelt sich in den Leib dessen, der sie isst. Diese Speise aber verwandelt den, der sie isst in sich und macht ihn sich gleich, geistlich, lebendig und ewig wie sie ist; sagt Jesus doch: Dies ist das Brot vom Himmel, das der Welt das Leben gibt.“

(Luther Gesamtausgabe Walch 20, 844, Schrift „Dass diese Worte, von 1527)

 

Also, wir werden durch das, was wir in uns aufnehmen verändert, verwandelt. Konsum prägt uns. Wenn wir uns immer nur gottloses und geistloses Zeug reinziehen, dann werden wir immer mehr gottlos und geistlos. Wenn wir uns jedes Geschwätz anhören und alle Trends mitmachen, dann werden wir Schwätzer, die vom Zeitgeist getrieben sind. Wenn wir nur auf Menschenmeinungen hören, dann werden wir Fähnchen im Wind. Wenn wir uns treiben lassen, sind wir Getriebene. Das gibt keinen Frieden. Auch wer satt ist, kann alles satt haben. Der volle Bauch macht noch lange kein volles Herz.

 

Wenn wir aber geistliche Nahrung, das Lebensbrot aufnehmen, das Jesus uns bietet dann werden wir auch verwandelt, aber in sein Bild, werden ihm ähnlicher. Das gilt für die Worte der Bibel und auch für geistlich treue Auslegung. Auch für das im Glauben empfangene Heilige Abendmahl. Auch das verändert und verwandelt uns in das Bild des Herrn Christus. Das Abendmahl, wenn wir es im kindlichen Glauben empfangen, macht neue Menschen aus uns, Menschen nach dem Bild Gottes.

 

Im Kleinen Katechismus schreibt Martin Luther zum Abendmahl: Wie kann leiblich Essen und Trinken solch große Dinge tun? Essen und Trinken tut’s freilich nicht, sondern die Worte, die da stehen: Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden. Diese Worte sind neben dem leiblichen Essen und Trinken das Hauptstück im Sakrament. Und wer diesen Worten glaubt, der hat, was sie sagen und wie sie lauten: Vergebung der Sünden. <…> Wer aber diesen Worten nicht glaubt oder zweifelt, der ist unwürdig und ungeschickt; denn das Wort für euch fordert nichts als gläubige Herzen.) (EG 905, 5, S.1562)

 

Wenn wir nicht ruhelos und heimatlos bleiben wollen, dann brauchen wir Heimatbrot, aber nicht eines, das der Münchberger Bäcker mit Spitzenköchen und Hobbybäckern vielleicht entwickeln wird, sondern Brot des Lebens in Form des Wortes Gottes. Brot, das Leben und Lebensqualität schafft: --- Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Oder: - Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Oder: - Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. Ich bin bei dir, dass ich dir helfe. - Fürchte dich nicht… Das ist Schwarzbrot, Lebensbrot, das auch in schweren Zeiten durchhilft. Heimatbrot, das an die himmlische Heimat erinnert, den Weg zeigt und Kraft gibt für den Weg, bis das Ziel erreicht ist.

 

Herr, das Brot bist du, für den, der Lebenshunger hat.

Und wenn er zu dir kommt, machst du ihn wirklich satt.

Amen.

 

 

 

Verfasser: Martin Schöppel, Pfarrer, Dr.-Martin-Luther-Str.18, 95445 Bayreuth, Tel. 0921/41168